Umschmelzen

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Gutes noch besser machen

Früher war vielleicht nicht alles besser, aber vieles einfacher. In den jungen Jahren der Stahlherstellung etwa wurde dem flüssigen Roheisen einfach jede Menge frischer Luft zugeblasen, das sogenannte Frischen, um durch die daraus resultierende Oxidation den hohen Kohlenstoffanteil des Roheisens zu reduzieren und einen Teil der Verunreinigungen aus dem Metall zu entfernen. Schnell, simpel und schon ziemlich effektiv.

Mit Stählen dieser Güte allerdings, wäre es der Menschheit niemals gelungen, die Kraft der Gezeiten in elektrische Energie umzuwandeln, medizinische Operationen im Mikrometerbereich durchzuführen oder einen Roboter auf dem Mars abzusetzen. Dafür waren sie noch nicht rein genug. Aber zum Glück geht es noch besser: 

Zwar wird Roheisen auch heute noch gefrischt – dabei wird inzwischen technischer Sauerstoff verwendet; zusätzlich kommen seit den Siebzigerjahren jedoch die sogenannten Umschmelzverfahren zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Materialeigenschaften des Stahls gegenüber der Qualität, die durch das Basisherstellungsverfahren erzielt wird, noch einmal um ein Vielfaches verbessern.

Die zwei wichtigsten möchten wir Ihnen in diesem Beitrag gerne erläutern.

Stahl für höchste Ansprüche

Sprechen wir vom Umschmelzen, dann meinen wir konkret das Elektro-Schlacke-Umschmelzverfahren (kurz: ESU; englisch: ESR) und das Vakuum-Umschmelzverfahren (kurz: VU; englisch: VAR), auch Lichtbogen-Vakuum-Verfahren (kurz: LBV) genannt.

Beiden gemein ist, dass eine bereits vergossene Schmelze – also Stahl, der schon verflüssigt und behandelt wurde und damit für viele Anwendungszwecke einsatzbereit ist – weiter veredelt wird. Ziel des erneuten Umschmelzens ist sowohl im ESU wie auch im VU, den makroskopischen wie mikroskopischen Reinheitsgrad des Werkstoffes weiter zu erhöhen und seine Materialeigenschaften noch einmal zu verbessern. Das Vorgehen in beiden Verfahren allerdings ist sehr unterschiedlich.

Ein bisschen wie Kaffeekochen: Das Elektro-Schlacke-Umschmelzverfahren

Sehr grob gesprochen funktioniert das ESU wie Ihre Kaffeemaschine daheim. Nur, dass in der Metallurgie die Kaffeemaschine eine wassergekühlte Kokille (also eine wiederverwendbare Form zum Gießen von Metallen) ist, das Kaffeepulver ein zylindrischer Block aus Rohstahl und der Filter ein Schlackenbad aus Kalk und Tonerde. Wesentlich heißer wird es übrigens auch.

In der Kokille taucht der Rohstahl mit seinem unteren Ende in die Schlacke ein und dient gleichzeitig als Elektrode eines Stromkreislaufs. Die Gegenelektrode bildet die Kokille selbst, die Schlacke fungiert als elektrischer Widerstand.

Nun wird ein Lichtbogen gezündet. Aufgrund ihres hohen Widerstandes heizt die Schlacke sich stark auf und die in sie eintauchende Spitze des Stahlzylinders beginnt zu schmelzen. Deshalb sprechen wir auch von einer selbstverzehrenden Elektrode.

Die Stahltropfen durchwandern den Schlackefilter und werden dabei von Verunreinigungen wie Schlackeneinschlüsse, Feuerfestpartikel, Gießpulver, Stahlschädlingen und unerwünschten Begleitelementen befreit – ganz nach dem Prinzip der Filtration. Die Schlacke steigt langsam weiter nach oben, bis die gesamte Rohstahlelektrode abgeschmolzen wurde.

Am Boden der Kokille sammelt sich der filtrierte Stahl und kann dort wieder erstarren. Dieser Prozess des Wiedererstarrens geschieht sehr gleichmäßig, sodass das Resultat nicht nur ein besonders reines Material ist, sondern auch ein Werkstoff, der ein extrem homogenes Gefüge aufweist.

Die Macht des luftleeren Raumes: Das Vakuum-Umschmelzverfahren

Auf den ersten Blick ist das VU dem ESU sehr ähnlich: Auch hier wird eine Roheisenelektrode in eine Kokille eingeführt und mittels eines Lichtbogens abgeschmolzen. Wieder sammelt sich der Stahl am gekühlten Boden der Form zu einem Umschmelzblock in gleichmäßiger Erstarrung. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zum ESU.

Denn der Name lässt es bereits vermuten: Diesmal findet das Umschmelzen in einem annähernden (Druck von 0,001 mbar) Vakuum statt. Warum? Weil sich der Anteil unerwünschter Gase im Rohstahl so deutlich reduzieren lässt.

Nach den Gesetzen der Physik gilt nun, dass die Löslichkeit von Gasen vom Umgebungsdruck abhängig ist. Je geringer der Druck, desto weniger Gas kann eine Flüssigkeit aufnehmen. Der geschmolzene Stahl gibt also einen Großteil der gebundenen Gase frei; diese werden anschließend aus der Kokille abgeleitet. Man spricht daher auch von Entgasung. Da auch Sauerstoff zu den ausperlenden Stoffen gehört, findet gleichzeitig eine Desoxidation statt, welche die Güte des Stahls noch weiter erhöht.

Der entstehende Umschmelzblock ist also nahezu frei von unerwünschten Verunreinigungen und oxydischen Einschlüssen.

Die Vorteile der Umschmelzung

Was bedeutet es nun für das Endprodukt, wenn der Gehalt an nichtmetallischen Einschlüssen im Werkstoff reduziert wird? Die Vorzüge lauten wie folgt:

  • Höhere Homogenität, also die chemische und mechanische Gleichmäßigkeit über den Querschnitt

  • Verbesserte Zähigkeit

  • Größere Korrosionsbeständigkeit

  • Stärkere Rissunempfindlichkeit

Der Stahl wird also insgesamt deutlich belastbarer und unempfindlicher. Damit eignet er sich für zahlreiche Einsatzgebiete, die von der Energietechnik über die Luft- und Raumfahrt bis hin zur Medizintechnik reichen. Überall dort, wo es auf Stahl von besonderer Reinheit ankommt, führt an einem Umschmelzen kein Weg vorbei.

Durch den hohen technischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten lassen sich allerdings nur kleine Chargen des ultrareinen Werkstoffes herstellen. Ein profanes Küchenmesser aus umgeschmolzenem Stahl werden Sie daher nicht finden. Das neue Hüftgelenk eines Patienten und ähnliche Implantate dagegen sind mit großer Sicherheit ESU- oder VU-behandelt.

Spezialstahl für extreme Einsatzzwecke

Falls Sie noch Fragen zu unseren Herstellungs- oder Veredelungsverfahren haben oder mehr zu den von uns produzierten Spezialstählen wissen möchten, dann wenden Sie sich direkt an uns. Unsere Chatfunktion steht Ihnen zu unseren Geschäftszeiten für jedes Anliegen zur Verfügung.

Gerne nehmen wir auch Ihre Bestellung über Ihren Bedarf entgegen – ob Ihr Werkstoff nun umgeschmolzen wurde oder nicht. In jedem Fall freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.